Allgemeine Empfehlungen für die Planenden
Die Bürgerinitiative Wasserstadt Limmer zur Zwischenpräsentation des Gutachterverfahrens Wasserstadt Limmer 2. Bauabschnitt:
Vorbemerkung
Die nachfolgenden Empfehlungen der BI Wasserstadt beruhen auf Meinungsbildern und Eindrücken aus der öffentlichen Veranstaltung der Stadt Hannover zur Zwischenpräsentation vom 3.12.2021 sowie den Ergebnissen der Beteiligung der Bürger an der Auswertungsveranstaltung der Bürgerinitiative Wasserstadt vom 7.12.2021. Einige der aufgeführten Punkte waren bereits Bestandteil der Anmerkungen und Wünsche zur Aufgabenstellung des Gutachterverfahrens (20.06.2021).
Stadtraum – Urbanität durch klassische Stadträume
Die Entwürfe gehen von unterschiedlichen Konzepten im Umgang mit dem Städtischen Freiraum aus. Insbesondere durch die eindeutigen Reaktionen des Publikums bei den öffentlichen Präsentationen fühlen wir uns als Bürgervertretung in unserer Haltung und Erwartung bestätigt:
… „Die Qualitäten urbaner Freiräume sollen herausgearbeitet werden. Konzepte mit Blockrandbebauung als zugrundeliegendem Ordnungssystem werden wahrscheinlich zu vielfältigeren Stadträumen führen als andere Konzepte mit Punkthäusern oder Zeilen.“ (Empfehlung der BI Wasserstadt zur Aufgabenstellung des Gutachterverfahrens vom 17.06.2021 / 18.06.2021 / 20.06.2021)
Wir bitten die Büros dringend, im Rahmen dieser Empfehlung zu agieren und Entwurfsansätze gegebenenfalls fundamental zu überdenken.
Verkehr – übergeordnete Anbindung
Wie erwartet, haben auch die uns vorliegenden Entwürfe die Problematik der übergeordneten Anbindung der Wasserstadt nicht gelöst. Für die Autos gibt es aufgrund der Halbinsellage nur die Wunstorfer Straße, für den ÖPNV wird eine Straßenbahntrasse freigehalten, die es laut Aussage der Region nicht geben wird. Bei der Radverkehrsanbindung entlang des Leine-Verbindungs-Kanals gibt es diverse Engstellen außerhalb des Plangebietes, für die sich nach einem zähen Prozess inzwischen einige Lösungen abzeichnen. In der Summe muss es jedoch weiterhin heißen: Problem nicht gelöst.
Dies ist jedoch kaum den Entwurfsbüros anzulasten. Diese Aufgabe ist maßgeblich von Verwaltung und Politik der Stadt Hannover zu lösen. Eine funktionierende Bus-Erschließung für das neue Quartier ist allerdings auch in den Entwürfen darzustellen.
Erschließung mit dem Bus
Eine Buslinie, die mit hoher Frequenz durch die Wasserstadt geleitet wird, halten wir für dringend erforderlich. Hierfür ist eine Bus- und Fahrradbrücke über den Kanal unverzichtbar. Die Planung dieser Brücke ist sehr anspruchsvoll. Wir erhoffen uns Anregungen und Vorschläge für neue Lösungsansätze, insbesondere für das Thema der Rampenführung der Brücke auf der Wasserstadtseite.
Bei der Linienführung des Busses über die Wasserstadt ist auch der 1. Bauabschnitt mit zu berücksichtigen, gegebenenfalls durch eine Führung über Sackmannstraße / Stephanie-Kuder-Straße.
Fahradverkehr – Abstellmöglichkeiten
Die Wahl des Verkehrsmittels entscheidet sich an der Haustür. Damit die Menschen das Fahrrad benutzen, muss es einfach und barrierearm zur Verfügung stehen. Sichere Fahradabstellplätze sollen im Bereich jedes Wohnhauses im Erdgeschoss zur Verfügung stehen, mit Auflademöglichkeiten für E-Bikes.
Erschließung mit dem Auto
Der Autoverkehr soll nur auf wenigen Straßen mit einer geringen Gesamtlänge in das nördliche Wasserstadtgelände des 2. Bauabschnittes führen. Das Ziel ist die Autofreiheit an der Spitze der Halbinsel bzw. umfassende Autoarmut auf dem Gelände. Das südliche Wasserstadtgelände (ehem. Conti-Parkplatz) soll bereits kurz nach der Wunstorfer Straße den Ruhenden Verkehr aufnehmen, damit dort faktisch kein Verkehr mehr im Bereich der Wohnbaugebiete stattfindet.
Autoparken PKW
Das Konzept der Quartiersgaragen wird begrüßt. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn möglichst viele Fahrzeuge in Tiefgaragen untergebracht werden. Parkhäuser als stadtbildprägende Hochbauten werden kritisch gesehen. Aus Kostengründen und um eine gute Wohnlage der Erdgeschosswohnungen im Hochparterre zu ermöglichen, können die Tiefgaragen nur ein halbes Geschoss unter Gelände liegen. Die Barrierefreiheit ist dann mit Durchlader-Aufzügen, die auch halbgeschossig fahrbar sind, zu ermöglichen. Auch zweigeschossige Garagen mit einer vollständigen Hofüberbauung sind gut vorstellbar, z.B. in Kombination mit einseitig belichtetem, umlaufenden Gewerbe im EG.
Autoparken für Gewerbe, Wohnmobile, Kleinbusse
Es ist darauf zu achten, dass es auch Abstellmöglichkeiten für höhere Fahrzeuge (Wohnmobile, Lieferwagen, Kleinbusse) geben muss. Im 1. Bauabschnitt gibt es z.B. keine einzige Möglichkeit zum Abstellen höherer Fahrzeuge. Nur durch Berücksichtigung solcher Abstellmöglichkeiten ist überhaupt eine nennenswerte gewerbliche Nutzung denkbar.
Präzisierung der „Mobility Hubs“
In allen Entwürfen ist von „Mobility Hubs“ die Rede. Es ist in der weiteren Durcharbeitung das konkrete Nutzungsangebot zu erläutern und im Plan zumindest beispielhaft darzustellen.
Gewerbe und Infrastruktur im Erdgeschoss
Die Belebung des Stadtteils durch Nutzungsmischung insbesondere in den Erdgschosszonen wird ausdrücklich begrüßt. Plätze und Uferpromenaden sollen durch Gastronomie attraktiviert werden.
Kulturtreff Limmer
Der Kulturtreff ist in Limmer eine Initiative, die in einem kleinen und inzwischen etwas baufälligen Gebäude – der Villa Kastanie – in der Nähe der Grundschule seit Jahrzehnten zu Hause ist. Die Initiative möchte ihr Angebot als kulturelles Zentrum für ganz Limmer erweitern. Im Altbaubestand westlich des Verwaltungsgebäudes an der Wunstorfer Straße könnte der Kulturtreff sehr gut eine neue Heimat finden. Gebraucht werden rund 600-850 m² Nettofläche im Erdgeschoss zuzüglich eines Freigeländes bzw. Gartens für Außenveranstaltungen. Natürlich ist auch eine andere Lage auf dem Wasserstadtgelände denkbar. Die Orientierung in Richtung Wunstorfer Straße würde aber der Ausrichtung des Kulturtreffs an ganz Limmer bzw. die Stadt Hannover insgesamt Vorschub leisten.
Gebäudehöhen
Bei der öffentlichen Vorstellung der Zwischenpräsentation bestand Einigkeit bei Bürgern und maßgeblichen Investoren, dass die Entwürfe, die mehr als 5 Geschosse bei einigen Gebäuden vorsahen, als problematisch angesehen wurden. Wir empfehlen bei einer Bandbreite von 2-5 Geschossen eine durchschnittliche Höhe von 4 Geschossen.
Vielfalt der Dachformen
Die Bürger wünschen sich Vielfalt auch in der Architektur. Dächer und Gebäudehöhen sollen eine lebendige Silhouette bilden und die Nutzung der Dachflächen ermöglichen. Flachdächer sollen als Gründächer ausgeführt werden und gut erreichbar für konkrete Nutzungen sein (Dachgärten, Nutzgärten, Ruhebereiche).
Vielfalt durch kleinteilige Parzellierung
Die gewünschte architektonische Vielfalt kann sich in einer kleinteiligen Parzellierung der Baufelder entwickeln. Damit sind Nutzungsmischungen sowie die soziale Durchmischung gut umsetzbar. Auf diese Weise können gemeinnützige Wohnungsbauunternehmungen wie Genossenschaften, aber auch Baugemeinschaften oder ambitionierte Privatleute zum Zuge kommen. Die Stadt wird aufgefordert, eine möglichst große Zahl von Grundstücken durch Kauf aus der Verfügungsmacht des derzeitigen Eigentümers zu lösen und die neuen Eigentümer im Städtebaulichen Vertrag vor Benachteiligungen zu schützen. Eine Weiterführung des faktischen Heizwärme-Monopols zu Gunsten des derzeitigen Eigentümers ist im kommenden städtebaulichen Vertrag zu unterlassen.
Wasserzugänge für Freizeitnutzung
Zugänge zum Wasser möglichst an allen öffentlichen Uferflächen vorsehen. Damit freier Wassersport, Angeln und Baden weiterhin möglich bleiben bzw. gestärkt werden . Wir weisen an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass auch das Baden vom Wasser- und Schifffahrtsamt geduldet wird und ein wichtiges Qualitätsmerkmal des gesamten Geländes darstellt – insbesondere für junge Leute.
Freiflächen Halbinselspitze
Die Freiflächen an der Halbinselspitze haben eine besondere Bedeutung für die Wasserstadt. Die Freianlagen sollen an dieser Stelle im Abgabeentwurf vertieft durchgearbeitet werden. Dabei ist den Nutzungen mit Wasserbezug besondere Bedeutung zuzumessen wie z.B. ein kleiner Hafen mit Besucherliegeplätzen und Bootsverleih. Weitere Nutzungsideen wäre ein Cafe mit großzügiger Esplanade, Liegewiese, Strand etc.
Spielplätze
Die Lage von Spielplätzen und eine konzeptionelle Beschreibung der Spielgelegenheiten ist mit der Abgabe der Entwürfe darzustellen.
Rote Linie bei der Dichte
Da die übergeordnete Verkehrsanbindung nach wie vor ungenügend bleibt, darf die Variante des „ Prüfauftrages“ (plus 40.000 m² BGF) nicht zur Ausführung kommen. Die geplante Dichte stellt bereits eine für hannoversche Verhältnisse deutlich erhöhte Dichte dar. Auch im Sinne einer nachhaltigen und werthaltigen Perspektive für das Baugebiet lehnen wir modische Dichteexperimente in unserem Stadtteil entschieden ab. Die von der Stadtverwaltung jüngst in Umlauf gebrachten Baugebietsvergleiche sind grob verfälschend, weil dort Untergeschossflächen mit einbezogen sind, wohingegen beim 2. Bauabschnitt die Flächen der Altgebäude mit nachgewiesen falscher Begründung herausgerechnet wurden. Dieses Vorgehen ist unseriös. Es widerspricht der Logik im Allgemeinen und im Fachspezifischen, da Dichtenachweise von Untergeschossflächen im Städtebaurecht nicht vorkommen.
Rote Linie bei Baudenkmalen: Kein Abriss, kein Parkhaus
Der Bestand an denkmalgeschützten Conti-Altbauten auf dem Gelände muss in den Plänen für den 2. BA zwingend gesichert werden. Die Nutzung der Altgebäude am Kanal als Parkhaus lehnen wir ab. Eine Nutzung als Quartiersgarage beschädigt den Charakter der Altgebäude am Kanal. Aus Lüftungsgründen offene oder vergitterte Fensterhöhlen verletzen die Würde der Denkmale. Wir schlagen eine hochwertige Nutzungsmischung der wunderbaren Ziegelbauten an dieser wertvollen Wasserlage aus Arbeiten, Kultur und Wohnen vor. Das Erdgeschoss sollte einer sozial-kulturellen Nutzung vorbehalten sein, zum Beispiel einem Dokumentationszentrum für das Frauen-KZ Limmer und die Zwangsarbeiterlager. Darüber hinaus wäre die Geschichte der Conti Limmer/Excelsior und die Industriegeschichte Limmers zu dokumentieren. Wir weisen darauf hin, dass sich ein erfahrener namhafter Projektentwickler in der Lage sieht, eine entsprechend hochwertige Umnutzung der Altgebäude zu realisieren.
Geförderter Wohnungsbau
Die geförderten Wohnungen sind in Bezug zu setzen zur geplanten Nutzungsfläche, nicht zur Anzahl der Wohnungen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sehr viele geförderte Wohnungen sehr klein werden. Dann gibt es zwar 30% geförderte Wohnungen nach Anzahl, bezogen auf die Fläche jedoch vielleicht nur 15 %. Das entspräche nicht dem Geist der „102 Punkte“ der Bürgerbeteiligung. Bei den geförderten Wohnungen muss ein komplexes Portfolio an kleinen, mittleren und großen, familiengerechten Wohnungen entstehen.
Contiturm als besonderer Ort
Hierzu Auszüge aus den 102 Punkten der Bürger*innenbeteiligung zu Fernwirkung, Blickbezüge und Lage:
- Dem Conti-Turm ist als Orientierungs- und Identifikationspunkt auch im städtebaulichen Entwurf ein hoher Stellenwert beizumessen.
- Es soll ein Platz am Conti-Turm entstehen.
Historische Kaimauer (Stichkanal) als besonderer Ort
Die noch vorhandenen Spuren der alten industriellen Nutzung müssen erhalten und neu kontextualisiert werden. So sollte die Kaimauer am Stichkanal („Sonnenseite“) mit einer platzartigen Aufweitung und großzügigen Verbindung in Richtung Schleuse aufgewertet werden.
Verkehrstrassen: Straßenbahn Dreiecksfläche / Contiparkplatz
Bei der Variante „Trasse für die Straßenbahn“ sollte der Lärmschutz durch eine geschlossene, Lärm abschirmende Bebauung Berücksichtigung finden.
Stadtplatz am Wasserstadteingang
Der Eingang auf das Wasserstadtgelände und der dazugehörige Straßenabschnitt der Wunstorfer Straße sind einer der Dreh- und Angelpunkte des Wasserstadtkomplexes. Raumkanten, Materialwahl der Pflasterung auf der Wunstorfer Straße und sichere Überwege müssen die Zäsurwirkung der Wunstorfer Straße überwinden. Der an der Straße Zur Wasserstadt bereits bestehende Fußgängerüberweg soll zusätzlich mit einer Lichtsignalanlage abgesichert werden und hilft somit, Tempo 30 an dieser Stelle durchzusetzen.
Leitbild Grünanlagen – komplex und üppig anstatt cool und clean
Pflanzenpopulationen sollen naturnah und vielfältig sein, insektenfreundlich und gut nutzbar für Wildtiere. Flächen für Urban Gardening sollen Berücksichtigung finden.
Leipzig – Charta 2020
Wir erwarten von allen Beteiligten des Stadtentwicklungsprozesses das Bekenntnis zu den Leitlinien der neuen Leipzig-Charta 2020:
Gemeinsam für die gerechte, grüne und produktive Stadt!
(Die gerechte Stadt) „…Chancengleichheit und Umweltgerechtigkeit für alle, unabhängig von Geschlecht, sozioökonomischem Status, Alter und Herkunft….“
(Die grüne Stadt) „ Die transformative Kraft der Städte trägt zum Kampf gegen die Erderwärmung und zu einer hohen Umweltqualität bezüglich Luft, Wasser, Boden und zu einer nachhaltigen Flächennutzung bei…“
(Die produktive Stadt) „… Es können Anreize für Kleinbetriebe… für eine emissionsarme handwerkliche Produktion …geschaffen werden, um die Produktion wieder in Städte und städtische Gebiete zurückzuholen…“
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